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Von:
Antragstellerin: Frau Frieda Meier ( geb. 08.08.1943 )
( aber seit langem schon in meiner neuen Heimat: Michelle Meier )
Adelaide, Süd Australien
A U S T R A L I E N
Donnerstag, 15. August 2013
An:
Herrn Matthias Lehmkuhl
Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene der Heimerziehung beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
Regionale Anlauf- und Beratungsstelle LWL - Landesjugendamt Westfalen
Warendorfer Straße 25
48145 Münster
Betreff:
Antrag auf Hilfe aus dem »Fonds "Heimerziehung West"« von einer Antragstellerin in Australien
Sehr geehrter Herr Matthias Lehmkuhl,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort (Ihre Mail vom 13.08.2013).
Ich werde mich umgehend um die für diesen Antrag notwendigen Dokumente kümmern und mich dann, in Kürze, diesbezüglich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen.
Herrn Mitchell, der mir mit diesem Antrag hilft, ist in der bisherigen Schilderung meiner Geschichte ein kleiner Fehler unterlaufen. Das liegt wohl allein schon daran, dass wir miteinander und auch mit anderen untereinander nur Englisch sprechen und dass er dann erst später, in meiner Abwesenheit, notwendige Schreiben, alleine, bei sich zu Hause, aufsetzt.
Wie schon berichtet, kam ich aus dem Osten – Flüchtling aus der DDR – als Sechzehnjährige, d.h. also als „Minderjährige“, Anfang November 1959, zusammen mit meinem derzeitigen volljährigen Verlobten (der ebenso ein Flüchtling aus der DDR war) nach Westdeutschland.
Und unmittelbar nach meiner Ankunft in Westdeutschland, bevor ich ALLEINE in dem „Gemischten Flüchtlingslager in Ülzen“, in Niedersachsen, zusammen mit anderen Flüchtlingsfamilien, untergebracht wurde, verblieb ich erst einmal (als einziges Mädchen), mit meinem Verlobten, für zwei Tage in dem „ausschließlich für Männer bestimmten Flüchtlingslager in Friedland“, in Niedersachsen.
Weil ich jedoch mit sechzehn noch „minderjährig“ war, nehme ich mal an, war gleich von Anfang an in Westdeutschland das Jugendamt / die Fürsorge involviert.
Und das kann, in meinem Fall, das Jugendamt in Friedland sowohl wie auch das Jugendamt in Ülzen gewesen sein.
Im „Gemischten Flüchtlingslager Ülzen“, in Niedersachsen, verblieb ich dann 6-8 Wochen, bis ich, bevor Jahresende, von einer Fürsorgerin aus Ülzen in das katholische Mädchenerziehungsheim der „Schwestern vom Guten Hirten“ in Münster verbracht wurde.
Ende 1962 wurde ich dann aus dieser Heimsituation und aus den verschiedenen anderen damit verbundenen Arbeitsausbeutungsknechtschaften entlassen aufgrund meiner Heirat mit einem westdeutschen jungen Mann der, zu diesem Zeitpunkt, gleichzeitig auch als mein Vormund eingesetzt wurde.
Das alles ist jetzt schon über 50 Jahre her und ich hatte es alles, diese ganze für mich furchtbar traumatisierende und emotional belastende Geschichte, bis vor ein paar Tagen, über diese vielen Dekaden hinweg völlig verdrängt; ich kann mich daher nicht mehr so genau an alle Einzelheiten erinnern; und ich möchte eigentlich auch nicht unbedingt an alles erinnert werden, denn dies wäre gesundheitlich zu belastend für mich.
Ich kann mich aber noch sehr gut daran erinnern, dass ich im Heim, und als Leiharbeiterin ausserhalb des Heims, trotz meiner zierlichen Gestalt, über den gesamten Zeitraum, überall, schwere körperliche Arbeit habe leisten müssen, die nirgens entlohnt wurde; nur ein winziges Taschengeld war alles was ich und auch alle anderen Mädchen, als Heiminsassen oder Leiharbeiterinnen, bekamen.
Dabei arbeitete ich 45 bis 65 Stunden in der Woche. Und an Schule oder wirkliche Ausbildung war dabei überhaupt nicht zu denken; das war einfach nicht im Plan des Heims oder des Jugendamtes zur damaligen Zeit.
Das Ganze war Sklaverei und Ausbeutung pur.
Bin ich, was Deutschland betrifft, als heutige „Ausländerin“ – in Australien eingebürgerte Australierin – eigentlich bei Ihnen in Münster, beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, mit meinem Antrag auf Hilfe aus dem »Hilfsfonds "Heimerziehung West"« an der richtigen Stelle, oder muss ich meinen Antrag im Gebiet des damalig für mich zuständigen Jugendamtes – was ja dann Niedersachsen wäre – stellen?
Wie lange wird es eigentlich ingesamt dauern bis die Bearbeitung meines Antrages abgeschlossen ist und (a.) die mir zustehenden „Rentenersatz-Gelder“ an mich überwiesen werden und (b.) die „Sachleistungen-Gelder“ an nur diejenigen hier im Auslande, die mir „Anschaffungen“ und / oder „Herrichtungen“ zur Verfügung stellen, gezahlt werden?
Übrigens sprechen Geschäftleute und Handwerker hier in Australien gewöhnlich kein Deutsch, manchmal aber auch noch nicht einmal Englisch, denn sie kommen, selbst meistens als Flüchtlinge, aus aller Welten Länder, haben also nie Englisch in der Schule gelernt.
Detailierte schriftliche Kostenanschläge für dies oder jenes stellt hier in Australien niemand aus; so etwas wird höchstens vielleicht mündlich gegeben oder schnell nur mal so auf die Rückseite einer business card gekritzelt; alles andere wäre viel zu zeitaufwendig, und niemand würde sich hier daher auf so etwas einlassen.
Und wir haben auch keinen Euro hier in Australien. Unsere Währung hier in Australien ist der Australische Dollar; und der Wechselkurs kann sich jederzeit ändern.
Und die Banken beiderseitig der Ozeane nehmen dann auch noch jeweilig einen Prozentsatz für ein oder mehrere international money transfer, jedesmal wenn Geld an jemanden in Euro von Deutschland aus in eine andere Währung wechselt, bzw. versandt wird. Wer übernimmt dann jeweilig (a.) bei der Auszahlung an mich der mir zustehenden „Rentenersatz-Gelder“ und (b.) bei der Auszahlung nur an Drittpersonen der mir zustehenden „Sachleistungen-Gelder“, all diese extra Kosten? Wie also wollen Sie das handhaben und abwickeln in dieser Situation ohne ausländische Antragstellerinnen und Antragsteller zu benachteiligen?
Was sind Ihre Vorschläge für Antragstellerinnen und Antragsteller aus Australien diese und ähnliche solche (völlig unnötigen) Schwieringkeiten zu überwinden, die ihnen momentan ein Übermaß an deutscher Bürokratie in diesem Zusammenhang präsentiert?
Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass Sie heute sogar Antragstellerinnen und Antragsteller jüdischer Herkunft, die heute und seit vielen Jahren schon in Amerika oder Israel leben, haben werden – denn ich habe auch von jüdischen männlichen und weiblichen „Fürsorgezöglingen“, die damals in katholischen, evangelischen und staatlichen westdeutschen Heimen untergebracht waren, die ihre Eltern im Holocaust verloren hatten, gehört – die sich diesbezüglich bei den »Anlaufstellen "Heimerziehung West"« melden werden. Wie wird deutsche Bürokratie, in ihrem Falle, mit ihnen verfahren, wenn sie Antrag auf Hilfe aus dem »Hilfsfonds "Heimerziehung West"« stellen, besonders wenn sie nur in Englisch oder nur in Hebräisch kommunizieren können?
Mit freundlichen Grüßen
Frieda Meier
( aber seit langem schon in meiner neuen Heimat: Michelle Meier )
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geändert, und auch ihr Geburtsdatum ein klein wenig geändert, für den Zweck der öffentlichen Präsentation dieses BEISPIELS; alles andere ist genuin und genau den Tatsachen entsprechend.